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Neulich geriet ich in eine Diskussion über feministische Linguistik. Die Unterdrückung der Frau sei bis in die Syntax hinein nachweisbar. Ich selbst gab mich früher gern als Feminist aus und wollte damit meine absolute Solidarität ausdrücke, und bemerkte nun aber, dass ich eines nicht bin: Feministin. Die Diskussion lief letztlich auf zwei Fragen hinaus, und die sind allemal interessanter als alles, was die anticoronistischen Heulsusen und Heulfritzen im Angebot haben, wenn sie wöchentlich einmal vom Akkordeon begleitet um die Protestlinde tänzeln.
Die erste Frage ging nach der Männlichkeit der deutschen Sprache. Wir kennen alle diese Diskussion: Deutschland hat die schlimmste Bürokratie, Deutschland hat die meisten Gesetze und die höchsten Steuern. Diese Art Nestbeschmutzung brauchen viele, zum Beispiel die gesamte AfD, um es in der Heimat aushalten zu können. Es ist dies die immer gleiche Verwechslung des Focus mit der Weltsicht. Ein Linguist oder eine Linguistin, die – sagen wir – fünfzig Sprachen beherrscht hat durch Erfahrung Einsicht in vielleicht weitere fünfzig Sprachen, das wäre ein Achtel aller afrikanischen Sprachen, könnte die Frage, welche Sprache männlich und welche weiblich sei, besser beantworten als wir alle. Trotz dieser strukturbedingten Inkompetenz wage ich die These, dass der männliche Focus der Sprachen durch das Patriarchat zustande kam und keine Frage der Sprachen selbst ist. In jeder Sprache wird es aber auch weibliche Formen geben, die, wenn sie nicht den Ausgleich brachten, doch den Versuch zeigen. Mein Geschreibsel hat natürlich nicht die Spur wissenschaftlichen Nachweises oder auch nur Denkens in sich. Aber wenn ein einfacher Gedanke, dass im Englischen die Schauspielerin actor und der Mensch sogar man heißt, ausreicht um ein linguistisches und feministisches und wissenschaftliches Kartenhaus zum Einstürzen zu bringen, dann kann es damit nicht weit her sein. Insofern ist es gut, dass Luise F. Pusch keine Professur erhielt, aber eine Ikone des Feminismus wurde.
Die zweite Frage war, ob Frauen militaristische Begriffe verweiblichen und sich typische männliche Grundfehler wegen der Gleichberechtigung einverleiben sollten. Die große Feministin sagte im Interview, dass es darauf ankäme irgendetwas auf Vorderfrau zu bringen. Das soll das feministische Gegenstück zum Vordermann sein. Ich halte den Vordermann für einen militaristischen Begriff und seinen heutigen Gebrauch für einen Beweis der langen Beibehaltung der Militär- und der Tätersprache. Nach wie vor wird von der obersten Heeresleitung gesprochen, vom Frontverlauf, studentische Hilfskräfte werden HIWIS genannt, aus dem Tritt kommen, so schnell schießen die Preußen nicht, in Visier nehmen, Ruhe im Glied, das alles wird täglich benutzt. Ich verstehe, dass frau sich über männliche Sprache aufregt. Aber frau kann nicht auf Verständnis hoffen, wenn sie militaristische oder gar Täterbegriffe verweiblichen und vereinnahmen will.
Soweit die sprachliche Seite. Dann ging es aber darum, ob Frauen die Wahl haben, ob sie Pazifistinnen oder Bellizistinnen werden wollen. Ich muss gleich sagen: ich empfinde schon die Fragestellung als obszön. Natürlich hat es immer auch Bellizistinnen gegeben. Aber sind sie wirklich das Ideal einiger Frauen? Dadurch dass der Krieg in 99% der Fälle Männersache war, die Sache alter Männer, die junge Männer in Krieg und Tod schickten, dadurch richtete er sich nicht nur gegen den bewaffneten Feind, sondern gegen Frauen, Kinder und Greise, also den unbewaffneten Teil der Bevölkerung. Frauen sind in allen Kriegen vergewaltigt und abgeschlachtet worden, ihre Kinder sind vor ihren Augen aufgespießt oder an die Wände geworfen worden, ihre Söhne waren die Mörder. Und jetzt wollen sie die Wahl haben, ob sie lieber Pazifistinnen bleiben oder Bellizistinnen werden sollen, Befürworterinnen von Kriegen, die weitgehend abgeschafft und befriedet werden. Zum Glück gibt es nur noch kleine Bürgerkriege, die auch Stellvertreterkriege sein können, die aber niemals mehr die Dimensionen des dreißigjährigen Krieges, der beiden Weltkriege, des Vietnam- oder Algerienkrieges haben. Statt die Bundeswehr abzuschaffen, erste Gelegenheit 1955, zweite 1989, dritte 2020, wird sie wegen der gleichberechtigten Teilnahme für Frauen geöffnet. Natürlich führt die Bundeswehr keinen Krieg, das kann sie gar nicht, das verhindert schon das Bundeswehrbeschaffungsamt in Koblenz, aber sie steht, obwohl sie demokratische kontrolliert wird, in der Tradition der Kriege. Selbst wenn eine Kaserne nach Stauffenberg benannt wurde, heißt sie nicht nur nach dem mutigen und höchst bewundernswerten Hitler-Attentäter, sondern auch nach dem Generalstabschef des Ersatzheeres. Über einen anderen Oberst der Wehrmacht wurde in Rotenburg an der Wümme gestritten: er schoss 111 ‚feindliche‘ Flugzeuge ab, aber Stadt- und Kasernenrat hielten den toten Oberst bis zum Juni 2020 für einen missbrauchten Mitläufer. Und nun wollen auch die Frauen militärische Mitläuferinnen gewesen sein? Diese Art feministische Diskussion verläuft so wie die Stadtratssitzungen in Rotenburg zum Thema Lent: schoss er tatsächlich Feinde ab oder wurden diejenigen erst dadurch zu Feinden, dass er sie abschoss?
Zwar kann niemand mehr eine Enzyklopädie oder zwölf Bände Hegel schreiben, aber man kann nicht bei der Beantwortung einer Frage alle anderen schon möglichen Antworten ignorieren.
Jedes Mal, wenn Frau Kramp-Karrenbauer „unsere Soldatinnen und Soldaten“ sagt – natürlich immer in dieser Reihenfolge, frage ich mich: Was soll der Sch…?
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