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Die ständige Verwechslung von Behörden (und ihren Anordnungen) und der Politik (meist meinen wir dann die Bundesregierung) könnte auch ein unseliges Erbe aus der DDR sein gekoppelt mit dem ‚BILD‘-Jargon: ‚Schocknachricht‘, ‚Ausweisung‘ ergibt es dann die Verwirrung, die wir bei einer winzigen Minderheit erleben. Nur so ist es zu erklären, dass immer wieder einzelne Menschen an ihrem Land und seiner Regierung verzweifeln, eigentlich aber örtliche Anordnungen und Gepflogenheiten meinen. Überall, wo der Bürokratie (oder überhaupt jemandem) Entscheidungsbefugnisse übertragen werden, wird es auch Fehlentscheidungen geben, so wie es überall Fehler gibt, wo etwas getan wird. Bildung, Demokratie und Medien haben gemeinsam dafür gesorgt, dass viel mehr Menschen eine Meinung haben und äußern können. Aber diese neue Freiheit trifft auf den alten Führerwahn: man glaubt, wenn etwas geschieht, sei ein Führer verantwortlich, und man sucht sich, damit etwas geschehe, neue Führer. Alle Autoritätsbefürworter glauben an den Staat und an Hierarchien. Alle Staatsgläubigen sehnen sich nach Autorität und Hierarchie. Alle, die an Hierarchien glauben, glauben auch an den Staat und an die Allmacht der Autorität. ‚Merkel muss weg‘ zeugt also nicht nur von einem archaischen Demokratieverständnis, sondern paradoxerweise auch von einer überdimensionierten Sehnsucht nach der Staatsautorität. Autorität verwechselt sich selbst aber immer mit Kompetenz.
Es wird, um die Unfähigkeit der Bundesregierung zu zeigen, ein Chefarzt aus Neubrandenburg zitiert, gegen den wir hier nichts sagen wollen, denn er wird selber wissen, ob er aus Kompetenz oder aus Eitelkeit sprach. Es gibt in Deutschland aber 2000 Krankenhäuser und demzufolge zwischen zehn- und zwanzigtausend Chefärzte. Würden wir also all ihren Vorschlägen folgen wollen, müssten wir die Coronakrise auf zehntausend Jahre ausdehnen. Dann wüssten wir, was zu tun ist. Jede Krise erfordert Handeln, aber nicht jedes Tun ist auch erfolgreich. Manche Leute scheinen das zum ersten mal zu hören.