kommunikation und warmes wasser

kommunikation und warmes wasser

ein junger kosovare, der natürlich auch begeisterter albaner ist, fragte mich, als er das bild sah, und er sah es, als ich fragte, ob das wohl solch ein minarett des schreckens sei, wovor die schweizer und andere europäer zitterten, er fragte mich, warum ich nicht die et’hem bey moschee in tirana oder all die schönen berge und blauen meere fotografiere. ich aber will nicht das glatte und schöne fotografieren, sondern den widerspruch, die ironie der landschaft, das traurige und das kosmische, das wir menschen in den häusern hinterlassen.
die mittagshitze ließ das ganze dorf zu ruhe und reglosigkeit gerinnen, nur ein esel und ein honigmelonenverkäufer zeigten, dass das dorf lebte. obwohl niemand zu sehen war, der uns beobachtete, fühlten wir uns beobachtet, weil es immer peinlich ist, andere menschen voyeurhaft zu beobachten, wie wir es taten. ob sich das betrachtete tatsächlich durch die betrachtung verändert, lässt sich ja nicht immer so schnell feststellen. in dem dorf war nicht nur eine neue moschee, sondern auch, paritätisch, eine neue kirche. die neue zeit war also nicht nur baulich, sondern auch politisch korrekt angekommen. bei der moschee sehen wir aber vier kommunikationswege, und das ist die ironie dieses blicks. der turm, das minarett, ist traditionell für einen muezzin gebaut. aber, der weg mag zu beschwerlich gewesen sein oder die muslime bosniens haben die art des ausrufens der gebetsstunde als zu anachronistisch in ihrer durch wachstum und modernität sich als fortschrittlich verstandenen kommunistischen umwelt gefühlt. jedenfalls soll bosnien das erste land der welt gewesen sein, das die muezzine durch lautsprecheranlagen ersetzte. vielleicht haben die albanischen muslime als nachbarn der bosniaken und weil sie zum atheismus verurteilt waren den mangel an modernität als besonders hart empfunden. vielleicht ist es aber heute einfach allgemein üblich, die direkte kommunikation durch die elektronisch verzerrte zu ersetzen, die stimme zu schonen, aber die rezeption der entpersönlichung auszusetzen, modernität als ein schritt in die beliebigkeit und säkularisierung.
seltsam unmodern wirkt auch die traditionelle fersehantenne, die noch dazu schräg ist. die vollständige isolation albaniens während des kalten krieges ist merkwürdigerweise auch durch das fernsehen erreicht worden. denn während die bevölkerung fernzusehen glaubte, sah sie tatsächlich nur nah. die sprachliche isolation sorgte dafür, dass keine information in den hermetischen raum enver hoxhas gelangen konnte. 600.000 bunker sorgten zudem für die tatsache der bedrohung: der gesamte imperialismus, unterstützt von den titoisten und chruschtschowianern, stand bereit, albanien auszurauben. man konnte dies alles ende der 60er und anfang der 70er jahre auf einem kurzwellensender hören, der pausenlos die ganze welt als feind albaniens beschimpfte. in der kosovarischen stadt ferizaj kämpfen immer noch die enveristen gegen die titoisten.
das alles zeigt die stehengebliebene fernsehantenne. daneben läuft eine zweipolige elektroleitung, die kommunikative hauptschlagader. wenige meter vor diesem foto hat sie jemand angezapft, indem er sie mit drähten enterte. so gesehen mag uns der balkan immer noch gestrig anmuten. aber unbeachtet bleibt dabei, dass man manchmal einfach nur stehen bleiben muss, um vorwärts zu gelangen. die warmwasserbereiter auf den metallgestellen – sie könnten die zukunft von europas energiegewinnung anzeigen. so wie die landwirtschaft polens durch den mangel an düngemitteln und pestiziden beim eintritt in die europäische union ökologisch verträglich war, so ist die warmwasserbereitung über den dächern zukunftsweisend. wir können von dem kleinen und armen albanien lernen. an dem tag und in der stunde, als das foto entstand, waren 45°C. das ist das einzige gegenargument: es ist nicht immer und überall so warm. aber man kann mit dem besuch in diesem dorf und mit dem foto ein neues ideal gewinnen: das ideal der einfachen, ökologischen billigen und bequemen energiegewinnung, albanien kündet vom neuen solaren zeitalter.
der albaner oder kosovare, der uckermärker oder mecklenburger sieht dagegen auf diesen fotos seine heimat geschmäht, fühlt sich vorgeführt. die beste interpreation ist noch, dass es sich bei den fotos um eine variante des schwarzen humors handelt. gerade auf dem balkan kann man deutlich erkennen, dass heimat kein ort, sondern eine gedanke, wenn nicht eine ideologie ist. auch in der uckermark begegnen sich die zugezogenen der verschiedenen generationen.

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