Gedanken zu einem Wahlplakat

Die Prenzlauer AfD wirbt auf ihren Plakaten unter anderen mit dem Slogan ‚Sicherheit statt Multikulti‘. Das ist ganz sicher eine Anspielung auf die alte und damals sehr wirkungsvolle Parole ‚Freiheit statt Sozialismus‘. Damals verstand jeder den Bruch der Kategorien, denn in dem einen wählbaren System stand die Freiheit laut Verfassung und in der Tat im Vordergrund, auf der anderen Seite – nicht nur des Eisernen Vorhangs – konnte man der menschenfreundlichen Utopie nachjagen, deren menschenfeindliches Erscheinungsbild allerdings offen lag.
Heute nun ist es wenig sinnvoll, zwei grundverschiedene Aspekte miteinander in Beziehung zu setzen. Unter Multikulturalität, im Volksmund multikulti genannt, versteht man das Nebeneinander verschiedener kultureller Herkünfte. Man kann die Kultur seiner Herkunft niemals 1:1 weiterleben. Eine Moschee in Berlin, etwa in einem Hinterhof im fünften Stock in einem Geschäftshaus im Berliner Wedding, ist nicht wie eine Moschee in Istanbul, umgekehrt kann man das Schattendasein einer Kirche in Istanbul nicht mit dem Kölner Dom oder der Kirche Santa Maria Novella in Florenz vergleichen, zumal sich die beiden letzteren jeweils neben einem Bahnhof befinden. Ein fünfzehnjähriger Katholik in Prenzlau, der mit seiner Mutter fröhlich zum Familiengottesdienst geht, hat eine andere Kultur als ein fünfundneunzigjähriger Kardinal in Rom, der gegen den Papst intrigiert. Aber selbst ein Land, das, wie die AfD vorschlägt, über tausend Jahre keine Einwanderung zulässt, kann seine Kultur nicht konservieren. Wir denken hier an die Mongolei, einst ein Groß- und Weltreich, nun ein viermal so großes Land wie Deutschland mit so viel Einwohnern wie Hohen Neuendorf. Im Gegenteil: wer starr auf seiner Kultur besteht, sie rein von jedem äußeren Einfluss halten will, dem entgleitet sie aus den Händen, auch dafür ein tausendjähriges Beispiel ist die katholische Kirche. Also: multikulti ist ein Attribut einer weltoffenen Gesellschaft, Sicherheit dagegen eine Eigenschaft staatlicher Ordnung.
Unter Sicherheit verstehen wir vor allem die Sicherheit für den Menschen, für sein Leben und seine Unversehrtheit. In Deutschland haben wir eine Tötungsrate von 0,8, das heißt 0,8 Menschen werden pro Jahr, bezogen auf 100.000 Einwohner getötet. Statistisch gesprochen wird in der Uckermark also kein Mensch pro Jahr getötet. In Russland beispielsweise, einem seit zwanzig Jahren mit straffer Hand geführten Land (um es freundlich auszudrücken), liegt die Tötungsrate mit 6,8 fast zehnmal so hoch. In Brasilien, einem Land mit langjähriger rechtspopulistischer autokratischer, jetzt aber linkspopulistischer autokratischer Regierung, liegt sie mit 21,3 im Mittelfeld, denn es gibt Länder mit weit höheren Werten. In absoluten Zahlen kommt Brasilien aber auf knapp 50.000 getötete Menschen pro Jahr, die Hälfte der Uckermarkbevölkerung.
Welche Sicherheit verspricht uns also die AfD? Sollte sie ein Land meinen, in dem es keine Verbrechen, keine Unregelmäßigkeiten gibt, so ist sie gut beraten, bei sich selbst anzufangen. Hannes Gnauck zum Beispiel ist ein Bundeswehrangehöriger, der vom MAD verfolgt wird und dem es verboten ist, eine Kaserne zu betreten und Uniform zu tragen. In einer Diskussion vor wenigen Tagen war er zu feige, sein Vergehen zu benennen, das angeblich, nach seiner Meinung, geringfügig sei. Besser wäre es doch gewesen, uns zu sagen, worum es sich handelt. Stattdessen zieht er die Militärstaatsanwaltschaft, den Inbegriff staatlicher Ordnung und Sicherheit, in Zweifel. Gegen die Spitzenkandidaten für die Europawahl, Krah und Bystron, wird wegen Vorteilsnahme und Spionage ermittelt. Der Parteivorstand grinst etwas von Unschuldsvermutung. Das ist richtig, nur die beiden wollen nicht Malermeister werden, sondern Abgeordnete im Europaparlament. Sie wollen eine Partei vertreten, die Sicherheit verspricht, aber von ihren rechtspopulistischen Kolleginnen und Kollegen gemieden wird.
Warum wirbt die AfD, statt mit recycelten Losungen der Altparteien, nicht mit dem, wofür sie wirklich steht: Nationalismus, Autokratie, Segregation. Dann wüssten wir, woran wir sind und wo wir unsere Kreuze nicht machen sollten.