SIEBEN GEGENARGUMENTE

Prenzlau, 12. Juni 2024

Hallo U.,

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Alle selbsternannten Retter (also alle Populisten) müssen die Welt erst zur Katastrophe herabzoomen, um dann ihre zweifelhaften Dienste anbieten zu können. In Deutschland nagen die Menschen nicht am Hungertuch und erhalten auch keine Minilöhne kurz über dem Bürgergeld. Der durchschnittliche monatliche Bruttoverdienst liegt bei 3.700 € (Vergleich: Dänemark: 5.000, Bulgarien 600), die Durchschnittsrente bei 1.700 €, im Osten um knapp 100 € höher, weil im Westen die Frauen weniger gearbeitet haben. Der Billiglohnsektor, den niemand schönreden wird, kommt durch neue Dienstleistungen auf der einen Seite und Mangel an Ausbildung auf der anderen Seite zustande.  Auch die Wirtschaft insgesamt steht nicht schlecht da, obwohl es einige Probleme gibt, die wir nicht gewöhnt sind: Lieferengpässe, hohe Energiepreise, Inflation bis maximal 11%, jetzt aber wieder bei etwa 2%. Und übrigens – grün-ideologisch gesprochen – ist Wachstum keinesfalls das alleinige Kriterium einer funktionierenden Wirtschaft. In China wird ein viel höheres Wachstum mit enormen ökologischen Schäden erzwungen, in Russland mit forcierter Rüstungsindustrie, in diesen beiden Ländern gibt es eine geradezu asoziale Verteilung.

2

Der Jugoslawienkrieg kam dadurch zustande, dass sich die Bundesländer der Föderation für selbstständig erklärten und Serbien mit dem Anspruch der Führungsmacht versuchte, diese Föderation mit militärischer Gewalt zu erhalten. Die NATO griff erst ein, als ein deutlich schwächeres Land, nämlich Bosnien, dem Bombardement der Serben ausgesetzt war. Serbien operierte zudem mit so genannten ethnischen Säuberungen, also der Vertreibung und Ermordung der indigenen Bevölkerung. Ziel der NATO war es natürlich, weder Serbien zu erobern noch die Regierung zu stürzen, sondern nur die militärische Gewalt zu beenden, was auch gelang.  Die serbische Regierung berief sich damals, so wie heute auch die russische, auf ein Recht zum Irredentismus, also der Zusammenführung sprachlicher Inseln.

3

Alle israelisch-palästinensischen Konflikte sind von der palästinensischen Seite ausgegangen. Die einzige Ausnahme ist der Sechs-Tage-Krieg von 1967, der als Präventivschlag nach eineindeutiger Bedrohung durch die Nachbarländer Syrien, Jordanien und Ägypten bei Unterstützung durch alle arabischen Länder und der Sowjetunion begann. Auch die jetzige Auseinandersetzung begann durch einen Terrorschlag der Hamas. Wir unterstützen traditionell Israel mit Waffen und Logistik, den Palästinensern wird dagegen von uns humanitär, besonders mit Lebensmitteln, Hafenanlagen, medizinischer Hilfe und Fluchtmöglichkeiten geholfen. Besonders tun sich hier der amerikanische Außenminister Blinken und die deutsche Außenministerin Baerbock hervor, die nie ohne einen 100-Millionen-Dollar-Scheck für die Bevölkerung ankommen.

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In der Migrationspolitik treffen zwei Ereignisströme zusammen, die Klimaveränderung und das enorme Nord-Süd-Wohlstandsgefälle auf der einen Seite, die christlich-abendländische Aufnahmebereitschaft und der Fachkräftemangel auf der anderen Seite. Die kleinen Städte leiden zudem unter Arbeitsmangel bei Wohnraumüberfluss, die großen Städte genau umgekehrt. Das sind tatsächliche Diskrepanzen, die von der Politik angegangen, ich wage nicht zu sagen: optimiert, werden müssen. Alles andere ist billige Propaganda.

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Der Quelle Oskar Lafontaine, woher alle deine Argumente stammen, ist leider nicht zu entnehmen, worin nun die besondere Gefahr der grünen Ideologie besteht, zumal ein wichtiger Eckpfeiler grünen Denkens, der Pazifismus, in beiden Regierungsbeteiligungen in seiner krassen Form aufgegeben werden musste. Es liegt der Verdacht nahe, dass die selbsternannten Retter Deutschlands, nachdem sie eine Katastrophe herbeigeredet haben, auch ein Feindbild brauchen. Wie Sahra Wagenknecht, selbst wenn sie Bundeskanzlerin würde, Frieden zwischen Russland und er Ukraine stiften will, bleibt ihr Geheimnis, genauso, wie sie den Reformstau Deutschlands beenden will, wahrscheinlich durch Enteignung der Banken.

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Wir stimmen überein, dass sich das Parteiensystem in ganz Europa in Auflösung befindet, dass es den etablierten Parteien fast nur noch um rein rechnerische Regierungsmacht geht und dass die alten Ideen Konservatismus, Liberalismus, Sozialdemokratismus und Grün nicht mehr das ganze Spektrum der neuen Probleme abdecken.

Und das alles willst du mit Leuten lösen, denen es – jedenfalls gemessen an der Quantität und der Qualität ihrer Argumente – ganz offensichtlich um noch viel weniger geht: nämlich um Geld und Ruhm.

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Argumente kann man übrigens nach wie vor bei Prof. Dr. Dr. Friedrich von Schiller lernen:

STAUFFACHER                  KommunitarismusTELL      Liberalismus
Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden.Beim Schiffbruch hilft der einzelne sich leichter.
So kalt verlasst ihr die gemeine Sache?Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.
Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.Der Starke ist am mächtigsten allein.
SCHILLER, Wilhelm Tell, I,3

Mit den besten Grüßen

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