Offener Brief an der Bürgermeister der Kleinstadt P.

Die Bundesregierung versucht, uns, das Volk, durch diverse Krisen zu navigieren, auch indem sie die eine oder andere finanzielle Förderung verteilt. Aber es gibt dann auch Kommunen, die das konterkarieren, indem sie einfach bei ihrem alten Trott bleiben, egal was draußen in der Welt passiert.
Ich wollte also mit dem Deutschlandticket in die nächste Mittelstadt fahren und stellte mein Auto, mit dem man in einer ländlichen Gegend nun einmal zum Bahnhof fahren muss, auf dem Parkplatz einer Kleinstadt ab. Der Parkautomat erwies sich für mich als etwas schwierig, nach zwei Versuchen hörte ich den Zug pfeifen und gab es auf, da der Preis für einen Tag nur 4 € war, so dachte ich, könnte die Strafe nicht über zehn Euro liegen. Parkplatzmangel gibt es in dieser Stadt auch nicht, schon deshalb, weil es Mangel an Menschen gibt, an Einheimischen und an Touristen.

Nach zwei Wochen kam aber die Überraschung: das Parken auf dem leeren Parkplatz eines ziemlich verwahrlosten Bahnhofs kostete stolze 40 €, also fast soviel wie das Deutschland-Ticket in einem Monat. Als Beweis diente ein Foto meines Autos, das weder die Uhrzeit noch den fehlenden Parkschein zeigte. Und das finde ich in zweifacher Hinsicht unangemessen, unverhältnismäßig.
Erstens müsste die Stadt, die solche Preise nimmt, samt ihrem Bahnhof einige Attraktionen haben. Wir alle wissen, dass für die verfallenden Bahnhöfe die Bahn zuständig ist. Kann sich also der Bürgermeister zurücklehnen und warten, bis alles zu Ruinen zerfiel? Man sieht, dass der Bahnhof einst groß und bedeutend war. Nun schützen Bauzäune den Zerfall. Alles ist zu, nichts gibt es mehr. Der ortsüblichen Ausrede, dass mangelnde Nachfrage und nächtlicher Vandalismus Laden, Café und WC verhindern, wird ausgerechnet durch eine Spielhalle widersprochen. Es gibt übrigens im 100-km-Umkreis mehrere Kulturbahnhöfe, dieser Bahnhof hier bietet ungewöhnlich viel Platz für multiple Nutzungen, die überregional bekannt werden könnten.
Aber nicht nur der Bahnhof verfällt. Auch an der langen Bahnhofstraße stehen Ruinen. Der Weg zum musealen, sehenswerten Lokschuppen ist sozusagen mit Ruinen gepflastert. Die traurigste Ruine dürfte wohl der einst schöne Tabakspeicher sein. Für diese ganze Straße gehören die Bahn und die Stadt ins Guinnessbuch des Rückschritts und der Hässlichkeit.

In der Stadt selbst gibt es bemerkenswerte Beispiele für Rekonstruktion und Neubau, wie zum Beispiel den Anbau des Gymnasiums oder das St. Spiritus-Ensemble, aber auch weitere Ruinen, so eine Kirche, zwei Schulen, Wohn- und Geschäftshäuser, ehemalige Produktionsstätten. Selbst die Stolpersteine für die ermordeten Mitbürger sind in einem beklagenswerten Zustand. Genug zu tun also für Politessen! Für 40 € dagegen müsste die Stadt die Qualität mindestens von Starnberg am gleichnamigen See haben.
Zweitens, und so ist es auch in großen Städten, kann die Strafgebühr das Doppelte, aufgerundet das Zweieinhalbfache der Parkgebühr betragen, aber doch nicht das Zehnfache, zumal der Parkplatz immer leer ist. Es gibt im Bereich der RE-Linien 3 und 5 keine Nachbarstadt, die überhaupt Parkgebühren am Bahnhof verlangt. Es ist also dreist, aber Dreistigkeit kann ja durchaus ein Geschäftsprinzip sein. Jedoch ist es auch dumm, denn es schreckt unnötigerweise ab. Und so werde auch ich in Zukunft diesen Parkplatz und diese Stadt meiden. Aber es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten, zum Beispiel, dass die Kleinstadt sich darauf besinnt, dass sie Kleinstadt ist. Dann muss sie nur noch freundlicher werden.